Wir diskutierten kürzlich die Frage, ab wann Whisky zu einem Luxus wird, welches Alter bzw. welche Preisstufe einen Whisky zu einem Luxusartikel werden lassen. Bedauerlicherweise fehlte die Zeit zu einer umfassenden Betrachtung, daher erfolgt an dieser Stelle eine kurze Zusammenfassung des Gesprächs sowie einige ergänzende persönliche Gedanken.
Grundsätzlich stellt sich natürlich die Frage, ob diese Diskussion für den EWZ nicht obsolet sein sollte, denn schließlich geht es uns um den Genuß und nicht darum, uns durch kostspielige geschmackliche Vorlieben von Anderen abzusetzen. Ich glaube aber nicht, daß der Fragende darauf abzielte, sein Selbstwertgefühl durch das Wissen um einen exklusiven Geschmack steigern zu wollen. Gewiß mag es Menschen geben, die ihre (teure) Individualität und einzigartige Klasse für jedermann sichtbar unter Beweis zu stellen wünschen, sei es durch einen eigens für sie proletarisch-laut getunten unteren Mittelklassewagen oder das Modellkleid mit entsprechenden Accessoires eines exklusiven französischen Couturiers. Im Bereich Whisky müßten sie um zu beeindrucken schon einen vierstelligen Eurobetrag anlegen, denn alles andere läßt sich entweder erwerben oder auf den mittlerweile zahlreich angebotenen Degustationen und Messen problemlos verkosten. Nein, vielmehr ging es um die Einordnung der in unseren Seminaren angebotenen Qualität sowie um die Frage, ob und wie weit sich die dabei erlebten durchaus beeindruckenden Geschmackserlebnisse durch höheren finanziellen Aufwand noch steigern lassen, und falls ja, ab bzw. bis zu welcher Preisklasse sich gravierende Unterschiede feststellen lassen.
Stellen wir das Thema aber zunächst in einen globalen Kontext, um uns dem Begriff „Luxusgut“ zu nähern. Für die meisten Menschen dieser Erde stellt bereits der Erwerb einer Flasche Scotch des Standardsegments – in unseren Supermärkten für bis zu zwölf Euro zu haben, in Großbritannien auf Grund der hohen Alkoholsteuer deutlich teurer – einen unvorstellbaren Luxus dar, denn es handelt sich nicht um ein Produkt des täglichen Bedarfs, das zum Überleben dringend benötigt wird. Dieses gilt nicht nur für weit entfernt gelegene Regionen, in denen Hunger herrscht und der Zugang zu sauberem Trinkwasser fehlt, sondern selbst für unsere europäischen Nachbarländer und in zunehmendem Maße sogar für unser eigenes Land. Wer am Existenzminimum lebt, hat andere Sorgen. Und so zielt die schottische Whiskyindustrie bei Vermarkten ihres umsatzträchtigen Standardprodukts, dem alterslosen Blend, auf Menschen meist männlichen Geschlechts jenseits eines Alters von dreißig Jahren. Die Hersteller betrachten also bereits einen einfachen Blended Scotch für Personen unter 30 als einen nicht zu finanzierenden Luxus. Das heißt wiederum, man erwartet von einem Großteil der Konsumenten nicht mehr als die Entscheidung zu einem schottischen Massenprodukt, statt sich für den Erwerb einer lokalen Spirituose zu entschließen. Gut, dieses Beispiel zeigt, wie angenehm es sich in Deutschland leben läßt, denn einen Ballantine’s Finest oder Johnnie Walker Red Label haben wir doch allenfalls als Heranwachsende oder frühe Studenten mit dunkel gefärbter Brause gemixt; jenseits der 30 hätten wir den Kauf nicht einmal mehr in Erwägung gezogen.
Mit den zum Verkauf der zwölf- bis fünfzehnjährigen Premium-Blends eingeschlagenen Marketingstrategien richtet sich die Industrie gezielt an Gutsituierte gleich welchen Alters – oder an solche, die sich einreden lassen, daß sie durch den Kauf dieser Produkte in eben jenen Kreis der Besserverdienenden aufsteigen. Geschmacklich handelt es sich allerdings nur zum Teil um Luxusware. Einige Blends lassen sich in der Tat pur genießen, jedoch vermag ich dieses vom Chivas Regal 12 oder Dimple 12, der auf anderen Märkten als Fünfzehnjähriger zu finden ist, nicht zu behaupten, ohne Eis, Sodawasser etc. schlichtweg ungenießbar. Einen Malt Whisky kann sich selbst im Erzeugerland, dazu zähle ich Großbritannien und Irland, kaum jemand leisten, Malt wird unweigerlich zum Luxusgut bzw. als acht- oder zehnjähriger zum Nischenprodukt für heimatverbundene Schotten. Glenmorangie 10 war lange Zeit der meistverkaufte Single Malt in Britain, weil er vor Weihnachten und anderen Festtagen in Supermärkten zu Spottpreisen verramscht wurde wie bei uns der vom selben Hersteller stammende Glen Moray 12. Mittlerweile hat der international erfolgreichste Malt Glenfiddich ihm diesen Rang abgelaufen. Dieses ist jedoch gewiß nicht der Qualität des Produkts geschuldet. Schon bei Markteinführung, damals als Special Reserve ohne Altersangabe, heute zwölfjährig, trat der Einstiegs-Glenfiddich als preiswerte Alternative zu den Premium-Blends an und konkurrierte nicht etwa gegen andere Single Malts. Dieser Preispolitik ist man bis heute zum Erfolg der Marke treu geblieben.
Betrachten wir abschließend den nationalen Markt. Einen Luxus stellten Single Malts zu der Zeit dar, als lediglich ein paar Marken wie Macallan, Glenfarclas, Glenlivet oder die Wood Finishes von Glenmorangie in den Pfeifen- und Zigarrenläden der Nation erhältlich waren. Für den Supermarktkunden gab es neben den bekannten Blends die beiden Single Malts Glenfiddich und Cardhu, die allesamt mit Jim Beam und Jack Daniel’s um die Gunst der Kunden warben. Letztgenannter war für mich zu meiner Studentenzeit bei einem Preis von DM 35,- ebenso wie der Glenfiddich oder der 40 Mark teure Cardhu 12 ein Luxus, da griff ich eher zu einem Armagnac für DM 24. Und heute? Der deutsche Blended Scotch Markt ist deutlich gestrafft, eine große Auswahl an hochwertigen Produkten sucht man vergebens. Geblieben sind in den Supermärkten vor allem Johnnie Walker Red und Black, Ballantine’s Finest, Chivas 12 und Dimple, mittlerweile auch hier bisweilen 15jährig. Die ehemals üblichen und in Kellerbars auch als Tropfkerzenständer weitverbreiteten VAT 69, Black & White und Long John sowie die 12jährigen Double Q und Ballantine’s Black Label bzw. Gold Seal muß man suchen. Statt dessen boomt der Markt für Single Malt.
Auch wenn der deutsche Markt im internationalen Vergleich als eher klein zu betrachten ist, und Vertreter der schottischen Whisky Industrie nicht müde werden zu betonen, daß Deutschland längst nicht so performt wie man es anhand seiner Wirtschaftskraft erwarten könnte, so lassen sich Single Malts doch in großer Vielfalt finden. Oftmals bieten Fachhändler 600 bis 800 verschiedene Abfüllungen an, der unabhängige Abfüller Wm. Cadenhead unterhält mittlerweile in Köln und Berlin Filialen (in Köln die erste auf kontinentaleuropäischem Boden) und der Internetversandhandel tut das Seinige zur Versorgung der Genießer. Hochwertige Ware ist also verfügbar. Allerdings beschränken sich viele Kunden in ihrer Auswahl auf Dauertiefpreis-Sortimente und monatliche Sonderangebote. Daß die Industrie ihrem Produkt Single Malt endlich Großes zutraut, äußerte sich nicht zuletzt in den teils saftigen Preiserhöhungen des Jahres 2003 auf das Jahr 2004 sowie in weiteren Preisanpassungen während des Jahres 2005. Betroffen waren nicht nur neu eingeführte Produkte sondern auch solche des bestehenden Sortiments. Vor allem nach Besitzerwechseln schienen die neuen Eigentümer teils schamlos auf schnelle Amortisierung aus zu sein. Es ist mittlerweile fast wie in der Autoindustrie, die zur Aufwertung ihrer ursprünglich kleinsten Modellreihe noch kleinere Modelle von unten nachschiebt. Übertragen auf die Whiskyindustrie heißt das: entgegen den landläufigen Trend zu Alkoholstärken mit 46% verlieren manche Whiskies an Stärke, die Abfüllungen werden zudem immer jünger, ungeniert werden für fünf- oder sechsjährige Whiskies € 80 und mehr verlangt, die hohen Preise statt wie üblich durch lange Reifezeit durch die vorgeblich limitierte Auflage begründet, die sich nach Etablierung des Produkts dann jedoch jährlich mit anderem Alkohol- oder Torfgehalt wiederholt. Das ursprünglich von den Marketingabteilungen als Standard verkaufte Alter von 12 Jahren wird hingegen immer mehr zu einem Luxus. Dieses geschieht in einer Zeit, in der die Käufer verstärkt auf den Preis achten und sich den Luxus nur bedingt leisten möchten.
Insofern stellen die von uns in diesem Jahr verkosteten 15-, 18- und 21jährigen Whiskies bereits Luxusprodukte dar. Andererseits kenne ich kein Land wie unseres, dessen Einwohner so sehr auf die Pflege eines Hobbys bedacht sind, sei es die Märklin-Eisenbahn, der Karnevalsverein oder die vom EWZ gepflegte Passion der Degustationen. Dabei fließt häufig nicht nur ein beträchtlicher Zeitaufwand, sondern auch ein Großteil des Ersparten in die liebste Freizeitbeschäftigung. So kenne ich Whiskyliebhaber, die obwohl keiner hohen Einkommensschicht angehörend der Ansicht sind, Whisky werde erst jenseits der 120,- Euro interessant, während andere wiederum behaupten, für einen „wirklich guten“ Whisky müsse man mindestens € 200,- anlegen. Nun gut, die Geschmäcker und Ansprüche sind verschieden. Natürlich hätte auch ich Lust auf ein Fläschchen des ein oder anderen 30jährigen oder älteren Whisky, aber dafür gibt es ja die oben erwähnten Gelegenheiten zur Verkostung. Der EWZ muß sich nicht zuletzt am Füllstand seiner Clubkasse orientieren, 85 € pro Flasche bilden derzeit nicht nur eine psychologische Grenze für Neuanschaffungen. Die meisten Genießer werden mir aber gewiß zustimmen, daß sich bereits für 35 € etwas gut Trinkbares und für zehn bis fünfzehn Euro mehr etwas Feines finden läßt. Das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bietet meines Erachtens die Kategorie von 65,- bis 85,- mit Whiskies von großer Aromenvielfalt in stets verläßlicher Qualität, die selbst der ungeübte Gaumen wahrzunehmen weiß. Obwohl sich auch darüber hinaus wundervolle Schmankerl finden lassen, gilt es darauf zu achten, daß die Qualität der Ware den hohen Preis rechtfertigt und dieser nicht nur durch die Seltenheit des Produkts oder die bisweilen obskure Preispolitik manchen Erzeugers diktiert wird.
Aber der Terminus „Luxus“ läßt sich natürlich nicht nur monetär, sondern auch qualitativ auffassen. Ich persönlich habe den Eindruck, daß die meisten gängigen Produkte, besonders wenn sie von großen Konzernen abgefüllt werden, immer flacher werden. Das verwundert nicht, denn die Nachfrage nach Whisky, nicht nur Single Malt, steigt weltweit. Zugleich wächst der Bedarf nach reifen Abfüllungen, die besten Fässer bleiben somit den hochwertigen Produkten vorbehalten und finden kaum noch Einzug in die Standardabfüllungen. Dazu kommt der Trend, auf die teuer gewordenen Sherryfässer zu verzichten, was in meinen Augen der Komplexität der Whiskies Abbruch tut. Nach dem in den 70er Jahren entstandenen Whisky-Loch droht einigen beliebten Marken bereits die Verknappung, als Beispiele seien hier Lagavulin, Oban und Cardhu genannt. Ist es somit schon ein Luxus, eine gut trinkbare Originalabfüllung oder ein nicht gänzlich verdorbenes unabhängig abgefülltes Einzelfaß zu bekommen? Ich denke, so weit sind wir zum Glück noch nicht und selbst der von der Industrie als marginal betrachtete deutsche Markt, zuletzt bei der Belieferung mit knapp gewordener Ware nicht gerade bevorzugt behandelt, hat noch zahlreiche und immer wieder neu lancierte Entdeckungen zu bieten.
Als Resümee läßt sich festhalten, daß die Entscheidung darüber, welches Produkt als Luxusgut einzustufen ist, vor allem im Auge des Betrachters liegt. Jedenfalls ist der EWZ ganz gut aufgestellt und bemüht, mit seinem breit gefächerten Programm den Interessen und Neigungen aller Clubmitglieder gerecht zu werden. Ein gut gelungener achtjähriger Glentauchers aus dem Sherryfaß, abgefüllt von Douglas Laing in der Reihe The McGibbon’s Provenance und für etwa 25 Euro erworben oder ein zehnjähriger Glenburgie von Gordon & MacPhail für knapp 30 Euro sind ebenso hocherfreulich wie ein Glenfarclas 12 1989 Limited Rare 1st fill Oloroso, ein 16jähriger Bowmore Natural Cask Strength Bordeaux oder der 20jährige im Sherryfaß gelagerte und in Faßstärke abgefüllte Cragganmore von The Bottlers in Leith. Wir sollten uns dabei stets vor Augen führen, daß der Gegenwert von über dreißig in einem Jahr erworbenen Spirituosen manchen Menschen geraume Zeit ernähren muß. Insofern besteht unsere Verpflichtung auch darin, uns bei allem Zeit- und Geldaufwand, den wir für unser Luxus-Hobby betreiben, gelegentlich zu erden und unsere Bedürfnisse und Ansprüche in den richtigen Kontext zu setzen.