Der erste Grund zur Beanstandung kann sich bereits ergeben, noch bevor der erste Tropfen eines Whiskys die Schleimhäute reizt oder über die Zunge rollt. Nämlich dann, wenn es nicht gelingt, die Flasche sachgemäß zu öffnen. Dieses kann aus zweierlei Gründen geschehen: zum einen kann es vorkommen, daß der eigentliche Korken nicht hinreichend mit dem ihn krönenden Holzabschluß verklebt ist, so daß man nach Entfernen der Schutzkapsel einen Teil in der Hand hält, während der Korken in der Flasche verbleibt. In der Regel ragt in dem Fall ein ausreichend großes Stück des Korkens aus der Flasche, das sich mühelos mit einer Zange fassen und herausziehen läßt. Zum anderen kann bisweilen ein poröser Naturkorken minderer Qualität beim Herausziehen im Flaschenhals abbrechen, was das ungleich größere Problem darstellt. Nicht immer läßt sich das verbleibende Stück mit Hilfe eines Korkenziehers aus der Flasche befördern. Zumeist drückt man den Korkenrest bei Einführen des Korkenziehers vom Hals in den Flaschenbauch, hin und wieder zerbröselt der Korken dabei sogar in viele kleine Einzelbrocken, die sich beim Ausgießen des Whiskies entweder im Glas oder zwischen den Zähnen wiederfinden.
Der EWZ ist mittlerweile dazu übergegangen, solche Vorkommnisse direkt bei den Händlern seines Vertrauens zu reklamieren. Ein seriöser Händler, der darauf bedacht ist, Qualitätsware zu verkaufen, wird solche Flaschen anstandslos umtauschen. Eine solche Erfahrung haben wir zuletzt mit dem 2006er Threeland Port Wood gemacht. Einmal umgetauscht zeigte auch die Ersatzflasche das selbe Problem mit nicht korrekt verklebtem Plastikkorken, der sich zwar unter Zuhilfenahme schweren Geräts entfernen ließ, dennoch informierten wir den Händler. Dieser zeigte sich sehr interessiert und nahm einen Tag nach unserer Beschwerde die komplette Charge aus seinem Sortiment, um sie beim Hersteller zu reklamieren. Der Vorfall ist indes noch zu jung, um beurteilen zu können, ob die Andreas Vallender Brennerei GmbH das Problem in den Griff bekommen hat; er zeigt aber auch, daß man als Kunde durchaus Einfluß auf die Qualitätssicherung nehmen kann.
Bricht Ihnen allerdings ein Naturkorken in der Flasche ab, sollten Sie nicht nur eingedenk der oben beschriebenen Erfahrungen des Autors dieser Zeilen davon absehen, die Flasche öffnen zu wollen sondern sie stets umtauschen. Der Klassiker unter den Whiskyfehlern ist sicherlich der Korkschmecker, und die Gefahr, einen zu erwischen, steigt mit einem abgebrochenen, porösen Korken ungemein. Ist ein Whisky korkig, so wirkt er im Aroma zunächst nur besonders würzig, eventuell leicht muffig. Auf der Zunge und vor allem im leider nicht enden wollenden Abgang wird man dann einen penetranten, alles überdeckenden Geschmack nach fauligem roten Apfel mit Minze feststellen, der selbst dann nicht verfliegt, wenn Sie Ihrem Whisky längere Zeit zur Atmung gewähren. Versuchen Sie erst gar nicht, anschließend weitere Whiskies zu verkosten, diese werden sich nicht gegen den Geschmack nach mehligem Apfel durchsetzen können. In einem solchen, zum Glück seltenen Fall (dem Autor sind seit 1993 fünf Fälle persönlich bekannt geworden) läßt sich die verdorbene Ware gewiß problemlos umtauschen.
Sollte sich der zu beanstandende Whisky allerdings seit mehreren Jahren in eigenem Besitz befinden, dürfte sich selbst der freundlichste Händler mit einem Umtausch schwer tun, denn er wird den Verlust ja nicht aus eigener Tasche begleichen, sondern die Flasche beim Hersteller beanstanden wollen. Vermutlich wird dieser einen Umtausch der Ware unter der Begründung ablehnen, daß man nach all der Zeit nicht mehr gewährleisten kann, daß der Kunde durch nicht sachgemäßes Lagern der Flasche den Korkgeschmack des Whiskies nicht selbst hervorgerufen habe. In diesem Fall hilft nur noch ein mehrmaliges Filtern des Whiskies durch handelsübliche Kaffee- oder Teefilter, das die unangenehmen Geschmackskomponenten entfernen kann. Die vorherige Aufbewahrung des Whiskies im Gefrierschrank verleiht der Flüssigkeit eine höhere Viskosität und damit eine langsamere Tropfgeschwindigkeit, was den Reinigungsprozeß positiv beeinflußen kann.
Andere, mitunter gewöhnungsbedürftige Eigenheiten manch Single Malts, welche die klassische Schule sicherlich als Whiskyfehler begreifen mag, dürften heutzutage nur noch schwerlich beim Händler als solche zu reklamieren sein, denn diese Komponenten sind als Antwort der Hersteller auf einen erweiterten Kundengeschmack möglicherweise durchaus so gewollt. Man mag sich zu Recht fragen, was Aromen wie Ananas, Melone, Mango und Papaya, die man landläufig eher mit einem weißen Rum als einem Dallas Dhu assoziiert, oder solche, die an Trester und Obstbrand erinnern, in einem Getreidedestillat zu suchen haben. Zweifellos wurde in diesen Fällen auf Kosten des typischen Charakters des Whiskys ein Großteil des Mittellaufs aufgefangen, um möglichst viel Destillat ins Ex-Bourbonfaß füllen und verkaufen zu können. Doch einen Grund zur Beanstandung bieten diese ungewöhnlichen Aromen nicht.
Und selbst die Verwendung eines ehemaligen Sherryfasses ist längst keine Garantie für ein gutes „Reifezeugnis“. Ein Purist wie der Autor Jim Murray bezeichnet in Aroma und Geschmack vom Sherry überlagerte, rosinentönige Whiskies zwar nicht unbedingt als „fehlerhaft“, läßt seine Leser aber zweifelsfrei wissen, daß dieser Whisky-Stil nicht seine Zustimmung findet, weil er den ursprünglichen Destilleriecharakter nicht mehr erkennen lasse. Aber müßte dieses dann nicht in gleicher Weise für den von Herrn Murray so geschätzten, vom Torf dominierten Ardbeg gelten? Wie auch immer, jedenfalls differenziert er bewußt zwischen gut gemachten, wenn auch ihm persönlich nicht zusagenden Sherry-Whiskies und solchen, die seines Erachtens tatsächlich einen während der Destillation oder Faßreife entstandenen Produktionsfehler aufweisen. Malts, denen die Mitglieder des EWZ übertriebenen Liebstöckel- und Schwefelgeruch oder einen Geschmack nach Schießpulver oder Gummi attestierten, erreichen in seiner Whisky Bible somit nicht mehr als 67 Punkte. Daher sollte man meinen, weit von der üblichen Erwartungshaltung und geschmacklichen Norm abweichenden Whisky beim Händler als fehlerhaft reklamieren zu können.
Aber offenbar gibt es mittlerweile Genießer, die solch untypische Aromen zu goutieren wissen, geradezu danach verlangen. Ähnlich den Weintrinkern, die ihren Weißwein gerne mit einem deutlichen Firnton genießen oder ihren Roten so lange lagern lassen, bis er geschmacklich eher an einen Sherry erinnert. In beiden Fällen wird der Winzer sich über die Mißhandlung seines Weins grämen, denn gewiß hatte er bei Erzeugen seines Produkts einen anderen Geschmack im Hinterkopf, den er dem Genießer näher bringen wollte. Doch die Realität lehrt uns, daß letztendlich weder der Hersteller noch ein Autor und Sensorikexperte der alten Schule in Sachen Geschmack das letzte Wort haben wird, sondern immer der Kunde, und sei sein Wunsch noch so ausgefallen. Schwillt die Gruppe derartiger Käufer auf eine marktrelevante Menge an, so werden die Hersteller stets bemüht sein, selbst ausgefallene, von der klassischen Schule abweichende Geschmacksrichtungen zu bedienen. So lange sich damit Geld verdienen läßt, schafft der Anbieter sich so eine Nische, die ihm das Überleben erleichtert.
Eine derartige Entwicklung läßt sich seit einigen Jahren in Frankreich beobachten, wo auf das Terroir schwörenden Traditionalisten verkaufsorientierte Winzer gegenüberstehen, die bereitwillig Weine erzeugen, die den Geschmack Herrn Parkers treffen und sich, mit einer hohen Punktzahl in dessen Publikation bedacht, entsprechend gut und gewinnbringend verkaufen lassen. Ähnlich sieht es in der Käseproduktion des Landes aus, die immer mehr von Großkonzernen bestimmt wird. Diese denken vorwiegend gewinnorientiert und sind bestrebt, die für einige Käsesorten typische aber kostenaufwendige Produktion aus Rohmilch von den EU-Behörden als nicht den modernen Hygienevorschriften entsprechend verbieten zu lassen, wohlwissend, daß sie damit kleineren aber aufgrund der Qualität ihrer Produkte konkurrenzfähigen Anbietern die Lebensgrundlage entziehen. Jeder muß für sein Überleben und das seiner Angestellten sorgen, daher will ich an dieser Stelle niemanden für seine Entscheidung, mit der Tradition zu brechen, geißeln. Mir als Genießer bleibt nur zu hoffen, daß die Vielfalt gewahrt bleibt und ich auch weiterhin meinen eher klassischen Geschmack bedient weiß, selbst wenn dieser nicht massenkompatibel ist und ich daher tiefer in die Geldbörse greifen muß.
Aber was ist mit denjenigen, die solche Nischenprodukte zu vermeiden suchen? Wie gelingt es ihnen, solche Produkte zu erkennen und zu umschiffen? Ich selbst brauchte einige Versuche um zu bemerken, daß Whiskies der Hart Brothers oder von James MacArthur und John Milroy nichts für meinen persönlichen Geschmack sind, da sie mir in der Regel zu eichenbetont und tanninlastig sind. Diffiziler gestaltet sich dieses Ausschlußverfahren für in ehemaligen Sherryfässern gelagerten Scotch. Persönlich lege ich keinen großen Wert auf übertriebene Liebstöckel-, Schießpulver- und Gumminoten im Aroma und Geschmack meines Whiskys. Bedauerlicherweise läßt sich solches nicht am Etikett erkennen, weder bestimmte Brennereien noch einzelne Unabhängige Abfüller lassen sich hier ausschließen. So genossen wir im Rahmen unserer EWZ-Verkostungen zwei vollkommen unterschiedliche Tobermories von Murray McDavid, beide zehnjährig von 1995, beide aus dem Sherryfaß, beide 2005 mit jeweils 2400 Flaschen abgefüllt, allerdings offenbar aus unterschiedlichen Chargen. Einziges äußeres Unterscheidungskriterium war das auf der zweiten Flasche seitlich angebrachte Murray McDavid-Logo, das auf der ersten fehlte. Der erste lieferte die erhofften leicht würzigen Rosinennoten, der zweite erweckte den Eindruck, als lecke man in einem Kuhstall an einem mit Schießpulver bestäubten Maggi-Brühwürfel. Doch, oh Wunder, es fand sich eine Liebhaberin dieses Stils, die froh und glücklich war, diese Flasche zu übernehmen, weil der Inhalt sie an einen vor einigen Jahren verkosteten 19-jährigen Deanston von Cadenhead erinnerte, den ich damals ähnlich abscheulich fand.
Die Aufzählung solcher Erlebnisse ließe sich beliebig fortführen und zum Beispiel um einen 29-jährigen Banff von Cadenhead ergänzen, aus Sicht der meisten Taster grottenschlecht. Allerdings fand sich ein wirklich langjähriger und erfahrener Whisky-Genießer, der häufig kein gutes Haar an allzu seichten Abfüllungen läßt, der in diesem Banff einen der besten Whiskies seines Lebens fand. Nach dieser Extremerfahrung fiel es wesentlich leichter, ihm zielgerichtet Abfüllungen zu empfehlen, die in sein individuelles Geschmacksprofil paßten. Geschmacksverirrung, Whiskyfehler? Offenbar existiert, abgesehen vom Korkschmecker, beides nicht. Erfahrungen wie die oben geschilderten mahnen uns einmal mehr zu Toleranz gegenüber anderen Geschmäckern und den Menschen, die hinter ihnen stehen. Erlaubt ist, was schmeckt!