Zunächst sei die Frage gestattet, wie sich der Begriff „guter Whisky“ definieren läßt.
Sie mag individuell höchst unterschiedlich beantwortet werden, je nach persönlichem Geschmack und Kenntnisstand des Fragestellenden und nicht zuletzt unter Berücksichtigung finanzieller Erwägungen. Dazu kommt, daß die Qualität eines Whiskies nur schwer objektiv meßbar ist, wenn einem kein chemisches Labor zur Bestimmung der Menge der in der Probe vorhandenen Aromastoffe zur Verfügung steht. Prinzipiell wird man immer versucht sein, einem Whisky mit hoher Aromenkonzentration und unverwechselbaren geschmacklichen Eigenschaften eine höhere Qualität zu attestieren als solchen, die sich speziell in einer Blindprobe im Vergleich mit anderen als unspezifisch erweisen und daher aus der breiten Masse nicht hervorheben. Selbst etwas, daß namhafte Experten als während der Destillation oder des Reifeprozesses entstandenen Whiskyfehler bezeichnen mögen, findet in kleinen Personenkreisen durchaus Anklang. Die Definition der Qualität erfolgt somit ausschließlich anhand des persönlichen Geschmack des Einzelnen. Lediglich ein Korkschmecker dürfte ungeteilte Abneigung erfahren.
Dabei gilt, daß hochpreisiger und lange gereifter Whisky nicht zwangslüfig „besser“ sein muß, speziell dann nicht, wenn er nicht Ihrem persönlichen Geschmack entspricht. Sie müssen sich also nicht schämen, wenn Sie statt zu einer aus Marketinggründen überteuerten Torfgranate oder einem rosinig-sherrytönigen Whisky, der von Puristen durchaus als überlagert abqualifiziert werden kann, lieber zu einem leichten, fruchtigen Malt oder gar Blended Scotch, einem Irish, Bourbon mit seinen Vanille-Karamelaromen und Noten nach Leder, Tabak und Kirsche oder einem süßen Rum mit Aromen exotischer Früchte greifen. Erlaubt ist, was schmeckt! So zumindest lautet das Motto des EWZ.
Und auch Sie sollten sich die Frage, ob Sie denn nun einen guten Whisky im Glas haben, dadurch beantworten ob er Ihnen mundet. Wenn er Ihnen schmeckt, ist er gut. Selbst, wenn Ihre Bekannten Sie zunächst nur mitleidig und verständnislos anblicken, haben Sie bitte den Mut, zu Ihren eigenen geschmacklichen Vorlieben zu stehen. Bleiben Sie dabei aber immer offen für Neues, probieren Sie Whiskies oder Whiskystile, die Ihnen bei der ersten Verkostung nicht geschmeckt haben, nach einiger Zeit nochmals. Mit den Jahren werden Sie vermutlich eine Änderung Ihrer Wahrnehmung feststellen, Sie werden Nuancen erkennen, die Ihnen zuvor verschlossen blieben. Zudem werden Sie bemerken, daß Ihnen einige Whiskies ganz gut, andere deutlich besser, manche vielleicht so überragend schmecken, daß Sie sich nichts Schöneres denken können, bis Sie dann doch noch übertroffen werden. Keine Angst, das ist vollkommen normal und gehört zu Ihrer Entwicklung; hier kommt wieder die Aromenkonzentration ins Spiel. Irgendwann werden aber auch die eifrigsten Verkoster an einen Punkt gelangen, an dem man ihnen nicht viel Neues mehr bieten kann. Herzlichen Glückwunsch, dann haben Sie Ihren persönlichen Geschmack ausgebildet.
Welchen Weg auch immer Sie gehen, er ist das Ziel und lassen Sie sich von diesem nicht durch Expertenmeinungen oder Preisschilder abbringen. Seien Sie aber bitte nicht enttäuscht, wenn dieser Findungsprozeß Jahre dauern sollte, im Gegenteil, genießen Sie es!